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16 - Albanien

Warum wollen hier eigentlich alle jungen Leute nach Deutschland?

Klar, lebe ich hier nicht für immer, aber ich bin nun seit drei Wochen hier, und alles, was ich um mich herum mitkriege, fühlt sich kein bisschen schlechter an als in Deutschland. Außerdem sehe ich, dass sich in diesem Land, seit ich das letzte Mal hier war, (2015), ziemlich viel bewegt hat, verändert. Dass sich klassische europäische Standards etablieren und vor allem, dass es Leute gibt, die ziemlich was auf die Beine stellen, und damit auch noch sehr gut Geld verdienen. So zum Beispiel Altin Prenga von Mrizi i Zanave, einem Agritourismo und Slow- Food Restaurant, tief in der albanischen Pampa (aber echt!), gut eineinhalb Stunden von Tirana entfernt. Vor zehn Jahren hat er sein Slow-Food-Konzept mit seinem Landwirtschaftsbetrieb begonnen, vor acht Jahren mit seinem Restaurantbetrieb. Er arbeitet mit zweihundert Familien aus der Region zusammen, die ihm alles bringen, was sie in ihrem Garten haben. (Und die Familien bekommen Geld. Der Region geht es besser, die Leute sind weniger arm.) Egal ob Tomaten oder Zucchini, Maulbeeren oder Feigen, Birnen oder Kornellkirschen, Hühner…. Altin und seine Köche, Schnapsbrenner, Bäcker, Käsemacher, Fermentierer, Fleischräucherer etc. verwerten es. Nicht irgendwie: Sie machen aus regionalen, saisonalen Zutaten das Beste, was dieses Land zu bieten hat. Ich kenne mich mit der Gastro-Kultur einigermaßen gut aus, ich habe selten so authentisch und sagenhaft aromatisch und einfallsreich zugleich gegessen. Ich habe selten soviel Energie und Power und Leidenschaft und Verantwortungsgefühl gespürt, wie beim Rundgang durch diesen Betrieb. Ich bin dort mir meinem Mann weggefahren und wir dachten: Mann, sowas in Deutschland machen! Und ich habe noch an etwas anderes gedacht: An Berlin, wie es vor zehn oder fünfzehn Jahren war. Als alle das Gefühl hatten, diese Stadt bietet maximal viele Möglichkeiten, maximal viele Räume und Nischen etwas Neues, Anderes, Besseres zu machen. Cool war das. Jetzt habe ich dieses Gefühl hier in Albanien. Ich denke, hey, hier kann man noch Bären zum Tanzen bringen und Wölfe zum Lachen und Kultur unter die Leute. Hier geht noch was! 

Weil es einfach keine wirklich lebendige Kulturszene etc. gibt in dieser Stadt. Es gibt keine Programmkinos, es gibt kaum Lesungen, es gibt kaum freies Theater (außer an der Kunstakademie), es gibt keine zeitgenössischen Konzerte, es gibt nur eine einzige richtige Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst und die an der Akademie. Und so weiter. Es gibt nicht wirklich ein abendliches Kulturprogramm - jedenfalls nicht, seit ich hier bin. Seit drei Wochen gibt es abends fast nur das, was das Goethe-Institut und die Deutsche Botschaft innerhalb des Deutschen Oktobers anbieten. Aber in den Cafes der Stadt sitzen lauter junge Leute. Und alle, die man fragt, sagen, ich will nach Deutschland. Da sei alles besser, sagen sie. Aha. Was eigentlich? Alles schneller, alles rauer, alles härter und ziemlich viel mehr busy. Und zu spät kommen könnt ihr Euch da auch mal sonst wo hin stecken. Sage ich. Und jeden Abend nur Talkshow kucken im Fernsehen anstatt sich wirklich eine politische Haltung zu erarbeiten: das kommt da nicht so gut an.

Ich frage Euch: Warum sagt hier eigentlich niemand: Ich bleibe, und hey, ich mache was aus Albanien? Oder so. Dass man sich dabei am Land seiner Wahl, von mir aus auch Deutschland, orientiert, ist ja nicht verboten.