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18

18 - Abschied, so:

Es ist mein letzter Vormittag in Tirana, ich habe gepackt, alles steht bereit zur Abfahrt zum Flughafen. Es ist halb zwölf und ich bin meinen üblichen Weg zum Bazar gegangen und habe dabei der Frau im Lebensmittelgeschäft, die ich lieb gewonnen habe und deren Tochter in München studiert, eine albanische PAULA vorbeigebracht. 
Und jetzt sitze ich im Cafe Noor, wo ich immer gerne war, und bin etwas wehmütig. 
Keine Ahnung warum, aber Albanien eignet sich gut für Wehmut, für Melancholie und sowas. Vielleicht passt Wehmut besser in die albanische Unfertigkeit als in die deutsche Aufgeräumtheit. 
Außerdem bin ich etwas verkatert. Was diese sentimentale Empfindlichkeit noch befördert. Ich konnte es gestern Abend nämlich nicht lassen, nach einem wunderbaren Abschieds-Essen, samt ausrechend Wein, mit meinen lieben Leuten, hier bei Fishop (Love!) noch in die Hemingway-Bar (Love!) zum Rum einzuladen. Ich habe seit drei Jahren keinen Rum mehr getrunken und davor meinen letzten 2006 in Mumbai. Seit ich hier bin, habe ich vier mal Rum getrunken. Insgesamt fünf Gläser Rum. Alle in in der Hemingway-Bar. Auch den vor drei Jahren habe ich in der Hemingway-Bar getrunken. Und obwohl ich nun wehmütig darüber bin, dass ich gleich abreise, bin ich froh, dass die Hemingway-Bar nicht mit fährt. Sie verführt mich nämlich dazu, dass ich nach allen Festen nochmals feiern will. Alles geht da mit mir durch. Neulich, als mein Mann zu Besuch war, und wir sehr fröhlich und gut bei Fishop auf unser Wiedersehen gegessen haben, musste ich ihm noch die Hemingway-Bar zeigen. Klar. Er mochte sie sehr. Da habe ich nach dem zweiten Rum sogar noch überlegt, einen dritten zu trinken. Mein Mann hat mich davor gerettet. Gestern habe ich nur einen getrunken. Es musste sein, weil sich in diesem Rum die ganzen vier Wochen Albanien erhöht haben. Es war eine Art Sentimentalitäts-Rum und Nostalgie-Rum in einem. So einer, den man gegen das Sterben trinkt. Oder wenigstens, um so zu tun, als ob alles immer weiter geht: das Herumlaufen in dieser Stadt, das Gefühl, in der Fremde kann man sich neu erfinden, all die Aufmerksamkeit, die man bekommt, dafür dass man mit fremden Augen kuckt. Und so weiter. Es geht aber nicht so weiter. In drei Stunden fliege ich. Ich trinke Granatapfelsaft im Cafe Noor, um meiner Leber etwas Gutes zu tun. Ich sage: Entschuldigung Leber, dass ich gestern nicht an Dich gedacht habe. Ich denke an Elisabeth Raether, sie ist Kolumnistin für DIE ZEIT, und hat mal einige Monate lang über die Trinkende Frau geschrieben. Ich vermisse, dass sie es nicht mehr tut. Sie tat es ein bisschen so, wie Rülpsen nach dem Essen. Unkorrekt aber erleichternd. Mich erleichtert das jetzt auch ein bisschen, dass ich das alles aufschreiben kann und ihr, liebe AlbanerInnen, die ich Euch sehr ins Herz geschlossen habt, das lest. 
Ich komme wieder. 
Mirupafshim! Auf Wiedersehen!

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