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On the road - 4

Ich könnte jetzt allerlei Schönes über Gjirokastra schreiben, aber ich habe keine Lust dazu. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht weil man alles auch im Reiseführer lesen kann. Ich bin aber keine Reisführerin und will auch keine sein. Ich habe mich dort top wohlgefühlt, egal wo ich war und vielleicht auch deshalb, weil ich nicht die einzige Fremde war. Das hat mich in eine gute Position gebracht. Endlich konnte ich mal wieder ganz unverschämt kucken. Das tue ich anscheinend nicht so gerne, wenn ich alleine fremd bin und alle Blicke nur auf mich gerichtet sind. Ich schaue eher weg, wenn ich zuviel angeschaut werde. Was mir erst jetzt klar wird. Und dass es einen Unterschied macht, ob ich in Frankreich, Spanien, Portugal oder Italien unterwegs bin. Oder eben in Albanien. In Albanien sieht man mir das Fremdsein an. Bist Du Italienerin? Bist Du Französin? Werde ich in Tirana oft gefragt. Selten, ob ich Deutsche bin. Woran man mein Fremdsein so genau sieht, weiß ich nicht. Vielleicht weil meine Turnschuhe kein Fake sind und meine Haare auch nicht. 
Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben. 

Ich wollte eigentlich über den Mercedes 220 D schreiben. Ich musste nach Albanien fahren, um den schönen Klang von Mercedes zu verstehen. Mer - z(ischlaut)- edes. Ganz groß. Hätte mir jemand in den ersten Tagen gesagt, dass Pogradec im c dem Mercedes gleicht! Ich hätte sofort alles begriffen. Aber da ist mir das mit dem Mercedes noch nicht aufgefallen. Der Mercedes 220 D ist hier in Albanien ein Statussymbol. Gefahren wird er gerne (getunt) von jungen Männern, die es anscheinend ganz besonders lieben, ihn mit durchgesessenen Sitzen zu fahren, die Scheiben heruntergekurbelt, klar. Fetter Bass darin. Sie hören Balkantechno. Seit ich Bus fahre, bin ich davon Fan. Drei Stunden Balkantechno im Bus und ich bin high. Naturalstoned quasi. Also sehr sehr gut drauf. Die Typen sitzen meist zu zweit im Mercedes, Sonnenbrille auf und Adidas T-Shirt an. Rot oder Schwarz. Manchmal weiß. Möglicherweise gefakt. Egal. Sie sitzen darin und nichts ist ihnen peinlich. Keine noch so fette Machogeste, kein Gewichtsproblem oder mangelnde Bauchmuskulatur. Der Mercedes ist der Muskel der albanischen Männer. Heute morgen als ich hier in Sarande, ganz im Süden der albanischen Adria, aus meinem Hotelszimmer schaute, parkten zwei Mercedes 220 D, einer in Silber, einer in Dunkelblau vor meinem Fenster. Der eine gehörte einem einhunderfünfzig Kilomann mittleren Alters, der direkt neben ihm im Cafe saß, und ab und zu mit dem Schlüssel prüfte, ob das Schloss noch richtig funktioniert. Der andere gehörte vermutlich dem Cafebesitzer. Gestern Abend habe ich in Sarande in einem kleinen unspektakulären Fischrestaurant direkt am Wasser sehr gut gegessen. Es hieß Poseidon. Der Besitzer und Koch (Vater von zwei kleinen Kindern) sah aus, als sei er gerade der Antikensammlung aus dem archeologischen Museum entstiegen. Sie wissen schon. Er würde meine Muskel-These widerlegen, wenn er gleich im Mercedes 220 D angefahren käme. Mal abwarten. Ich sitze nämlich auf den Bänken seines Restaurants am Wasser und schreibe diesen Text.

Comments

  1. Gestern im Studio zwischen Liegestütz und Situps in Tirana:

    "Du hast die Wahl Benz fahrn oder nicht..."

    https://www.youtube.com/watch?v=3WwhkWmugVY

    "Ich wurde geboren um Mercedes zu fahren..."

    ReplyDelete

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