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14 - Hier so:

Die Zeit rennt. Es bleiben mir noch genau neuneinhalb Tage inklusive heute. So lange war ich beim letzten Mal (vor drei Jahren) hier. Als ich gestern Alketa vom Goetheinstitut sagte, dass es wohl gar nicht mehr reicht, noch nach Berat zu fahren, meinte sie: Du hast soviel gesehen schon und soviel gemacht! Und dass das nicht schlimm sei. Ich finde es ein bisschen schlimm. Ich würde gerne alles sehen. Aber ich habe zuviele Termine noch und außerdem zuviele Dinge noch vor. Zum Beispiel möchte ich nächste Woche noch mit albanischen Jugendlichen über Hoffnungen und Träume sprechen, und warum sie Deutsch lernen, ich würde gerne noch die Roma-Familie finden, mit der ich (untern anderen) vor drei Jahren gesprochen habe, aber bisher weiß ich nicht, wo sie ist. Ich möchte mit den Jugendlichen und jungen Leuten aus meinem Schreib-Workshop eine coole Abschlusslesung machen. All sowas. 
Heute kommt A. und ich freu mich darauf, mit ihm hier herumzulaufen, ihm Orte zu zeigen, die ich mag, in Restaurants zu essen, in denen ich gerne bin. Ich freu mich darauf, morgen mit ihm aus der Stadt raus zu fahren, und in einer gewissen Gegend ein bisschen protzig sagen zu können: schau, hier wohnt die Mafia. Hier im Hinterland bauen Sie ihre Hanfplantagen an, soviel Hanf, dass das Land einen so großen Überschuss hat, dass ein Kilogramm Haschisch für dreihundert Euro verkauft wird, nach Deutschland, Italien und so weiter. Und alle wissen es. Und dass es bis vor ein paar Jahren ein Dorf gegeben haben muss, in dem alle Ferrari fuhren und sowas, und dicke Uhren trugen und so weiter, und in das ich nicht hineingekommen wäre, hätte ich es auch noch sehr sehr gewollt. Es ist das Dorf der Hanf- und Haschisch-Mafia gewesen, inzwischen wurde es zerschlagen. Ich wünschte zu wissen, wo all die Ferraris und so hingefahren sind. Das werde ich ungefähr sagen. Erzählt haben mir das alles Alketa und Landi, als wir neulich auf dem Weg zurück aus Shkodra durch diese Gegend fuhren. Dass man überhaupt weiß, wo die Mafia wohnt und wo sie ihre Drogen anbaut, finde ich eh verblüffend, weil ich mich frage: wie kann das gehen, dass man es weiß, aber es dennoch geschieht? Und dann denke ich wieder an die Rede der Deutschen Botschafterin am Tag der Deutschen Einheit, und wie sie Albanien, genauer Edi Rama ermahnte, dass es im Land aufhören muss mit Korruption und Vetternwirtschaft, weil der EU-Beitritt sonst scheitern wird. Das dazu. Und ich denke an die USA, und dass, seit Donald Trump regiert, sowas ja dort durchaus auch denkbar wäre. Man lese nur über das Verschwinden des Journalisten der Washington Post, Jamal Khashoggi, und wie Trump gegenüber Saudi-Arabien agiert. Und was es für das Handeln aller anderen Länder/Staaten dieser Welt bedeutet, wenn die älteste Demokratie der Welt von ihrem Präsidenten gewissermaßen immer mehr untergraben wird. 

Wie auch immer: kann sein, dass ich ein bisschen weniger schreibe übers Wochenende: ich muss nämlich meinem Mann dieses eigensinnige Land zeigen, das ich, apropos "no one likes us..." sehr mag. 

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17 -  Das ist jetzt ein Text für Albanien Sie waren sehr gut! -  Seit ich hier bin, habe ich einmal pro Woche mit acht SchülerInnen und StudentInnen in einer Schreibwerkstatt an Texten zu Träumen gearbeitet. Solche aus der Nacht, die oft schwer sind, und solche aus dem Tag, die oft schön sind. Wir haben Schreibübungen gemacht, wir haben darüber gesprochen, warum uns manche Texte berühren, interessieren und andere eben nicht so. Auch über kleines Handwerkszeug beim Schreiben und ein bisschen über das Leben. Herausgekommen sind schöne kleine Texte, die wir gestern Abend bei TIRANA TIMES in der Peter Boghdani vorgestellt haben. Die Studenten haben gelesen. Ich habe moderiert. Ich war stolz.  Aber ich musste, in einer Zwischenrede, vielleicht auch ein bisschen Deutsch sein. Ich finde es nämlich unverschämt, wenn man zu einer Lesung kommt, aber nicht, weil man zuhören will, sondern womöglich, weil man sich sehen lassen oder mit mir einen Termin vereinbaren möchte. Man kommt also

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