Skip to main content

15

15 - Tirana

Gar nicht gut ist: wenn bei engen Freunden etwas Schlimmes passiert und man nicht da ist. Auch nicht so gut: sowas wie Grippe und schlechter Schlaf. Was grade noch geht: die Sache mit der Ehekrise in der Nachbarswohnung und Wasserausfall. Was nicht ganz schlimm ist, aber auch nicht so schön: Taubenscheiße auf dem Balkon und lieb Lächeln bei zu-spät-kommen. 
Ich habe keine Ahnung, wie sich das mit dem Heimweh genau verhält. Ich habe es selten, ich habe manchmal Sehnsucht. Aber Heimweh eher nicht so, weil ich mich schnell irgendwo zuhause fühlen kann. Hier in Tirana zum Beispiel war das gar kein Problem. Bereits vor drei Jahren nicht. Und auch dieses Mal nicht. Ich habe schnell Orte gefunden, an denen ich mich wohl fühle. Wo ich gerne einen Cafe trinke, gerne zu Abend esse, Wasser kaufe, kurz was rede. So. Es gibt Wege durch die Stadt, die mir gefallen und es ist kaum mehr notwendig, meinen Tirana-Stadtplan aufzuklappen. Meist weiß ich, wo ich bin. Ich kenne mich aus. Aber heute habe ich Heimweh. Es hat mit gar-nicht-so-gut zu tun, und dass mir mal wieder klar wird, dass es so was wie Schicksal gibt. Das merkt man ja vor allem, wenn das Schickal einem oder jemandem in der nahem Umgebung nicht so gut mitspielt. Nicht so sehr, wenn das Schicksal einem zeigt: Fucking good life, und dass alles auch in Tirana ganz cool sein kann. Ich habe also Heimweh und wenn ich es genau bedenke, dann hat das vor allem mit Sicherheit zu tun. Ich habe Heimweh nach allem, was zuhause so ist wie immer. - Ich habe Angst, vor allem, was sich ändert. Und ich erlebe, wie sehr sich der Tag anders anfühlt damit. Deutlich schlechter. 
Ich höre jetzt auf darüber zu schreiben.

Ich will lieber noch erzählen, dass ich den Verkehr in Albanien liebe. Nicht nur das Bus fahren, auch das Taxi fahren. Zug hab ich noch nicht ausprobiert. Es gibt kaum noch Züge. Es gibt noch genau zwei kurze Bahnstrecken in Albanien, die ich leider beide nicht gefahren bin. Am Wochenende bin ich zum ersten Mal Auto gefahren hier Das mochte ich sehr, weil es keinen Regeln folgt. Alle fahren irgendwie und doch irgendwie mit System. Das System lautet: sag, dass Du da bist! Wenn Du nur ein bisschen zögerst, haut es Dich raus aus dem System. Am Anfang war ich ein wenig zögerlich, weil das Auto ein Mietwagen war, aber als ich mir klar machte, dass ich ein Rund-Um-Sorglos-Paket gebucht habe, gab ich das auf. Am zweiten Tag hatte ich es drauf: rein in den Kreisverkehr und so tun, als hänge man die Ellbogen rechts und links aus dem Fenster. Ganz entspannt. Und sofort zurückhupen, wenn jemand Dich verhupt. Auch ganz entspannt. Entspannt ist, glaube ich, das Ding, das hilft. Obwohl mir eine meine Schülerinnen aus der Schreibwerkstatt, die ich hier leite, gesagt hat, die Albaner ärgern sich zu schnell. Ich befürchte, sie hat keine Ahnung, wie schnell die Deutschen sich ärgern. Mir ist in den dreieinhalb Wochen, die ich hier bin, bisher auf der Straße oder in der Stadt kein verärgerter Albaner und keine verärgerte Albanerin begegnet. Anscheinend verstecken sie sich gut. Oder machen das alles in ihren Ehekrisen aus. Zum Beispiel.


Foto: aufgenommen in der National Art Gallery Tirana. 
Wolkenbild von Flaka Haliti

Comments

Popular posts from this blog

13

13 - Shkodra  Wahrscheinlich habe ich es nicht geglaubt, bis ich es gesehen habe. PAULA ist auf Albanisch erschienen. Und als ich das (schön gemachte) Buch von Silvana (meiner albanischen Verlegerin) beim Essen in die Hände gedrückt bekomme, muss ich weinen. - Vielleicht wegen Paula, der echten. Also meiner Großmutter, die es jetzt bis Albanien geschafft hat. Den ganzen Tag laufe ich herum mit so einem heiter melancholischen Gefühl, so einer Dünnhäutigkeit, als könne mich alles noch leichter bewegen als sonst. Ich glaube es ist so. Und ich bin froh, um den Schutz meines Begleittrupps.  Es sind zwei intensive Tage, in denen ich das Gefühl habe, alle zeigen sich näher, als gewöhnlich, Arian, wenn er die (albanische) Einführung für mein Buch hält, die ich nicht wirklich verstehe, aber die mir wie eine verdichtete Erzählung vorkommt; Silvana, wenn sie mir über ihre eigene Großmutter erzählt und Stellen aus Paula, in denen sie Augenblicke wieder gefunden hat, die sie sehr angeg

17

17 -  Das ist jetzt ein Text für Albanien Sie waren sehr gut! -  Seit ich hier bin, habe ich einmal pro Woche mit acht SchülerInnen und StudentInnen in einer Schreibwerkstatt an Texten zu Träumen gearbeitet. Solche aus der Nacht, die oft schwer sind, und solche aus dem Tag, die oft schön sind. Wir haben Schreibübungen gemacht, wir haben darüber gesprochen, warum uns manche Texte berühren, interessieren und andere eben nicht so. Auch über kleines Handwerkszeug beim Schreiben und ein bisschen über das Leben. Herausgekommen sind schöne kleine Texte, die wir gestern Abend bei TIRANA TIMES in der Peter Boghdani vorgestellt haben. Die Studenten haben gelesen. Ich habe moderiert. Ich war stolz.  Aber ich musste, in einer Zwischenrede, vielleicht auch ein bisschen Deutsch sein. Ich finde es nämlich unverschämt, wenn man zu einer Lesung kommt, aber nicht, weil man zuhören will, sondern womöglich, weil man sich sehen lassen oder mit mir einen Termin vereinbaren möchte. Man kommt also

18

18 - Abschied, so: Es ist mein letzter Vormittag in Tirana, ich habe gepackt, alles steht bereit zur Abfahrt zum Flughafen. Es ist halb zwölf und ich bin meinen üblichen Weg zum Bazar gegangen und habe dabei der Frau im Lebensmittelgeschäft, die ich lieb gewonnen habe und deren Tochter in München studiert, eine albanische PAULA vorbeigebracht.  Und jetzt sitze ich im Cafe Noor, wo ich immer gerne war, und bin etwas wehmütig.  Keine Ahnung warum, aber Albanien eignet sich gut für Wehmut, für Melancholie und sowas. Vielleicht passt Wehmut besser in die albanische Unfertigkeit als in die deutsche Aufgeräumtheit.  Außerdem bin ich etwas verkatert. Was diese sentimentale Empfindlichkeit noch befördert. Ich konnte es gestern Abend nämlich nicht lassen, nach einem wunderbaren Abschieds-Essen, samt ausrechend Wein, mit meinen lieben Leuten, hier bei Fishop (Love!) noch in die Hemingway-Bar (Love!) zum Rum einzuladen. Ich habe seit drei Jahren keinen Rum mehr getrunken und davor m