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On the road - 5

Das wird jetzt ein Turbo-Blog. Weil ich - zwar zurück in Tirana seit gestern Abend - in einer halben Stunde schon wieder los muss, wir fahren nämlich im Team-Bus nach Shkodra, wo ich heute am Abend lese. Mit Alketa und Christian vom Goethe-Zentrum und Arian und Silvana Leka, die mein Buch auch Albanisch gemacht haben: Es erscheint heute! Aber ich glaube, ich schaff das in der Kurzversion, weil alles eigentlich zusammenhängt. Die Ehekrise, der Mercedes 220D, das Busfahren und so weiter.

Gestern also stieg ich um 11:00 Uhr in Sarande am Ionischen Meer ganz im Süden von Albanien in einen Kleinbus nach Vlora. Obwohl ich bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt dort war, schaffte ich es nur mit großem Nachdruck, einen Platz in der ersten Bank zu ergattern, was ich unbedingt wollte. Später aber bereuen würde. Wegen meiner Höhenangst. Wir fuhren also los, 11:30 der Adria entlang durch die Berge, in Himare dachte ich, da hätte ich hinfahren sollen, weil endlich war mal ein Ort am Meer nicht total zugebaut mit hässlichen Hoch-Häusern, in denen eh keiner wohnt. Der Australier (auf Europa-Tour), den ich bereits von einer anderen Busfahrt kannte, stieg aus: cheers, sagten wir, und dass ich glaube, er habe es richtig gemacht. Dann saß ich, wie meist, als einzige Nicht-Albanierin im Bus, mit dem es jetzt hoch ging, ins Gebirge. Steil, kurvig. Aber alles gut. 
Bis an einem ziemlichen Aufstieg der Bus zu röcheln begann und einfach stehen blieb. Weil ich rechts hinter dem Busfahrer saß, sah ich, wie er die Handbremse zog, nochmals fester zog. Um schließlich den Bus noch einmal zu starten. Er röchelte. Und röchelt bei jedem Versuch weiter. Im Bus herrschte nun absolute Stille. Der Busfahrer sicherte nochmals die Handbremse, bevor er aufstand, und das Gehäuse eines Kastens direkt vor mir öffnete: Darin erschien schmierig und schon sehr gebraucht: der Motor. Der Fahrer zog seine Arbeitshandschuhe an, aus Gummi. Dann fingerte er ein bisschen am Motor herum. Und stieg aus. Ich stieg lieber auch aus. Und hinter mir her dann der ganze Bus.
Weil draußen die Sonne schien und ich eh nix tun konnte, setzte ich mich vor den Bus auf die Straße und fühlte mich eigentlich ganz entspannt. Einer, der auch bisschen ausschaute, wie ein Handwerker, machte sich zum Kumpanen des Busfahrers. Der Werkzeugkasten wurde herausgeholt, der Motor von vorne und der Seite betrachtet, und so weiter. Nach einer viertel Stunde gesellte sich eine Frau zu mir und erzählte mir - auf eine Stelle keine hundert Meter unterhalb von uns an der Straße zeigend, dass dort 2008 ein ganzen Bus mit 21 Medizinstudenten in die Schlucht gestürzt sei, alle tot. Ich nickte, schluckte, sagte: Schrecklich. Sie erzählte es noch einmal und zeigte in die Schlucht. Ich schaute auch hinab in die Schlucht. - Die Arbeiten am Bus gingen weiter. Etwa vierzig Minuten später wurde das Ergebnis der Untersuchung an die Fahrgäste weitergegeben. Alle nickten ernst. Das Benzin ist aus. Sagte die Frau, die Italienisch sprach. Ich musste sehr lachen. Und dann lachten alle. Und sprachen wild durcheinander. Die Frau, die Italienisch sprach, sagte: Sie sagen, was Sie jetzt über uns Albaner denken! - Dann wurde telefoniert. Eine gute halbe Stunde später kam einer mit Benzin.

Was ich dachte. Ich dachte daran, dass ich jetzt mit diesem Busfahrer über den llogara-Pass, der über einen etwas mehr als tausend Meter hoch gelegenen Bergkamm - der die zum ironischen Meer gehörende Gegend von der Riviera trennt - fahren muss. Und so weiter. Und dann dachte ich an die Ehekrise in meiner albanischen Nachbarswohnung: 
Weil, wenn der Bus bei Unterzuckerung am Herzen operiert wird, ist es durchaus möglich, dass das, was sich in der Nachbarswohnung abspielt, zwar den Ton einer Ehekrise hat, aber eigentlich nur eine Bagatelle ist, die sich allabendlich wiederholt, weil irgend etwas fehlt. Im besten Fall halt ein Mercedes. 



Comments

  1. Schöne Conclusio, Sandra, hat mir sehr gut gefallen!
    Viele Grüße aus Karlsruhe! Annika.

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